Briefe analog und digital

Gar nicht so wenige Angehörige schreiben ihren geliebten Verstorbenen ganz selbstverständlich Briefe. Warum das hilfreich sein kann, fragen sich wiederum andere. Natürlich ist es etwas anderes, als wenn der andere noch leben würde aber diese Maßnahme hilft durchaus in ihrem begrenzten Rahmen und wird in ihrer Einfachheit ebenfalls unterschätzt. Dabei ist es gut, wenn das Medium gewählt wird, das einem vertraut und somit die Überwindungshürde leichter zu überwinden ist.

Damit ist gemeint: Wie auch immer: Von Hand geschrieben, auf der alten Schreibmaschine getippt, auf dem Computer in die Tasten gehauen, auf dem Tablet, in WhatsApp, Telegram oder wie auch immer: zumindest zu Beginn die Variante zu wählen, die einem liegt, ist erst mal gut.

So wie sich Trauer über die Zeit verändert, kann es sein, dass sich auch die Methode verändert, wie wir uns ausdrücken oder die Briefe und Nachrichten irgendwann erst weniger und dann gar nicht mehr eingesetzt werden.

Gerade bei den neuen Medien ist es oft so, dass das Handy des Verstorbenen bzw. seine Nummer noch eine ganze Zeit erhalten bleibt, bis sie dann irgendwann doch schweren Herzens aufgegeben wird. Wenn das Gerät dann an sicherer Stelle aufbewahrt wird, können wir sicher sein, dass unsere Botschaften auch nicht von jemandem anderen gelesen werden. Zudem ist diese Art der Kommunikation einfach und sehr leicht verfügbar.

Fortführung der Beziehung auf diese Weise, denn wir sind es gewohnt, uns mit dem anderen auszutauschen. Wenn das plötzlich abbricht, ist das sehr schmerzhaft. So kann die Kommunikation anders aber immerhin weiter geführt werden.

Unausgesprochenes nachholen, ist durchaus wichtig. Oft kreisen diese nie gesagten Dinge in einer Dauerschleife im Kopf herum und rauben uns den Schlaf. Sie aufzuschreiben und sie direkt an den Angesprochenen in einem Brief zu richten, kann für mehr Ruhe in der Gedankenwelt sorgen.

Zukunftspläne besprechen, ist eine Variante, die womöglich nicht direkt zu Beginn der Trauerzeit relevant ist, doch einige Angehörige müssen ihre Wohnung aufgeben, weil sie nach dem Tod des Partners diese nicht mehr alleine finanzieren können. Auch hier mäandern viele Gedanken wild im Kopf herum und Ängste und Zweifel können sich ausbreiten, wie: Schaffe ich das alles? Wofür soll ich mich entscheiden? Es bricht mir das Herz, unseren gemeinsamen Ort zu verlassen. Werde ich dich woanders wieder finden? Diese Herzbewegungen an den Verstorbenen zu richten, kann dabei helfen, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und wirkt entlastend. Auch To-Do-Listen, von den Aufgaben, die abzuarbeiten sind, dürfen in solchen Briefen ruhig auftauchen.

Schöne Momente oder Ereignisse teilen. So bitter es sich oft anfühlt: Das Leben geht weiter. Es finden Geburtstage, Jahrestage, Hochzeiten und Taufen statt, die nun von uns ohne den geliebten Menschen erlebt werden. Es tut weh, zu realisieren, dass die Liebe unseres Lebens dies alles nicht mehr erleben kann. Auf so einer Feier in Gedanken bereits zu notieren, was ihm später alles in diesem Brief berichtet werden kann, halte ich definitiv für sehr hilfreich, denn unter diesem Aspekt macht es gleich viel mehr Sinn, an solchen Feierlichkeiten teil zu nehmen, obwohl wir uns oft gerade dort durch den Verlust sehr alleine und fehl am Platze fühlen.

Psychohygiene! Auch wenn der Verstorbene nichts für seinen Tod kann und gerne selbst noch weiter gelebt hätte, kommt es häufig vor, dass wir Wut darüber empfinden, dass der andere nicht mehr da ist. In der Rückschau fallen uns manchmal auch noch Verhaltensweisen oder Begebenheiten ein, die für uns wenig akzeptabel waren. Auch wenn es sich anfangs befremdlich anfühlt, auch diese unangenehmen Dinge an den Verstorbenen zu richten, hilft der Seele dabei, den Ärger loszulassen aber nicht den Menschen.

Schuldgefühle – Sie gehören sehr oft zur Trauerarbeit dazu und sind in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen. Wenn sie überhand nehmen, halte ich es für angezeigt, sich professionelle Hilfe zu holen, denn mit anderen darüber zu sprechen, kann, wenn man die passenden Ohren dazu findet, sehr entlastend sein. Handelt es sich um Schuldgefühle, die nahezu jeder mit sich herum schleppt, ist auch so ein Brief schon ausreichend, indem sie von der Seele geschrieben werden, um sich hinterher etwas leichter zu fühlen.

Um Verzeihung bitten – etwas, was nicht immer ganz einfach ist und auch Zeit zum Reifen benötigt, wenn es sich um eine wirklich ernst gemeinte Entschuldigung handeln soll. So kommt es durchaus vor, dass sich erst nach einiger Zeit unsere Wahrnehmung von bestimmten Erlebnissen vertieft. Ebenso wie wir uns ändern – ganz besonders nach einem großen Verlust – wandelt sich unser Blick auf die Dinge des Lebens und so kommen wir vielleicht hier und da zu dem Ergebnis, dass wir selbst nicht immer so gehandelt haben, wie wir es von unserem jetzigen Standpunkt aus für richtig halten. Auch hier ist ein aufrichtiger Brief an den Verstorbenen gerichtet eine sehr gute Möglichkeit, Abbitte zu leisten.