Trauer

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Trauer

Der Begriff Trauer bezeichnet mehrerlei:

  • einen emotionalen Zustand – eines Gefühles der Niedergeschlagenheit, eines Mangels an Lebensfreude (kurzzeitig oder länger andauernd) oder eines seelischen Rückzugs, einer starken Kränkung usw.
  • einen Prozess bei der Bewältigung von Krankheit, des Sterbens und insbesondere nach dem Tod eines geliebten Menschen, aber auch bei einem sonstigen schweren Verlust.
  • eine besondere Art der Kleidung, welche als Ausdruck des Schmerzes über den Verlust einer nahestehenden Person getragen wird („Trauer tragen“). Während dies heutzutage meist nur noch zur Beerdigung selbst üblich ist, bestanden früher detaillierte Regelungen über die Zeitdauer des Tragens von Volltrauer und Halbtrauer, die je nach Verwandtschaftsgrad zum Verstorbenen variierten.
  • einen offiziellen Zustand, der von der Regierung bei Unglücksfällen oder nach dem Tod einer hochrangigen Person verordnet werden kann; siehe dazu Staatstrauer.

Trauerarbeit

Der Trauerprozess ist kein passiver Vorgang, bei dem etwas mit einem geschieht; vielmehr muss der Trauernde aktiv werden und eine Reihe von Aufgaben lösen. Diese ‚Arbeit‘ gewährleistet erst einen „normalen“ Trauerprozess; wird die Trauerarbeit nicht geleistet, ist der Abschluss des Trauerprozesses nicht mehr möglich. Pathologische Trauerverarbeitung ist die Folge.

Es lassen sich übrigens keine eindeutigen Aussagen darüber machen, zu welchem Zeitpunkt welche Aufgabe vom Trauernden in Angriff genommen werden soll. Teilweise überschneiden sich die Bereiche und müssen gleichzeitig angegangen werden; – aber der Trauernde kann ebenso eine ganze Zeit lang auf die Lösung nur einer bestimmten Aufgabe fixiert sein.

Des Weiteren ist der Trauerprozess individuell, also bei jedem Menschen anders. Manchmal werden die genannten Phasen nicht oder nur kaum merklich durchlaufen. Die Phasenmodelle sind somit nicht als statische Gegebenheiten anzusehen, sondern als Stütze für die Betroffenen ihren persönlichen Trauerprozess zu durchlaufen.

Mit der Trauer leben

Körperliche Aktivität oder Ablenkung können Trauer verdrängen oder kurzfristig erleichtern. Man kann überdies versuchen, den Verlust zu ersetzen. Durch die Kulturgeschichte hindurch stifteten jahrhundertealte Trauergebräuche und Rituale eine stabilisierende und Sinn stiftende Rolle. Etwa wird durch Erinnerung und darin symbolisch wiederholtes Zurückholen und erneutes Weggeben des Betrauerten ein Sich-Einlassen auf die Extremsituation des Verlustes gespielt und ein allmähliches Akzeptieren und Loslösen möglich. Sogenannte Trauerarbeit hilft zu bewältigen.

Die Klage ist ein konstitutives Trauermoment. Auch Gespräche sind wichtige Aufgaben.

Bedeutsam sind der Ort der Trauer und die zugehörige Situation. So entgleist Trauer im heutigen, oft einsamen Alltag und bei dem vorwiegend im Krankenhaus stattfindenden Sterben leichter.

Aus der Sicht des christlichen Glaubens ist Trauer eine menschliche Befindlichkeit und kann durch Gebet in eine neue Dimension geführt werden. Solidarität mit den Trauernden wird zu einer besonderen Form der Nächstenliebe, und jeder kann dazu beitragen, indem er einer trauernden Person nicht aus Scheu den Kontakt oder ein Gespräch verweigert.

Die Trauer verläuft gewöhnlich in mehreren Phasen:

Die Betroffenen befinden sich meist in einer Art Schockzustand, wollen nicht wahrhaben, dass ein Mensch oder auch Tier verstorben ist.
Sie erleben eine depressive Phase; Sinnleere oder Zukunftsangst sowie Hadern mit dem Schicksal dominieren die Gedanken. Häufig treten Desorientierung und Vergesslichkeit auf, die Aufmerksamkeit im Kontakt mit Anderen und in Bezug auf die notwendigen alltäglichen Aufgaben fällt schwer. Trauernde haben Verlassenheits- und Schuldgefühle, auch körperliche Reaktionen, wie z. B. Konzentrationsverlust, Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust treten auf. Auch andere Krankheitssymptome sind möglich.
Dann beginnt „die Zeit, die Wunde zu heilen“. Der Gedanke an die verstorbene / verlorene Person, an ein geliebtes Tier, an Vergangenes wie Haus, Heimat, Arbeitsplatz, verursacht nicht mehr so starke Verzweiflung. Es gelingt den Trauernden, sich wieder besser zu konzentrieren, das Hier und Jetzt wahrzunehmen und den Blick auf die Zukunft zu richten. Schließlich kommt es bei erfolgreicher Trauerbewältigung zu einem neuen seelischen Gleichgewicht.
Nach der Bearbeitung der Trauer können sich neue Perspektiven eröffnen, die unabhängig vom Trauerfall sind: Neue Beziehungen, neue Verhaltensmodifikationen usw. Insofern kann bearbeitete Trauer auch Lernprozesse in Gang setzen. Die stagnieren, wenn die Trauerarbeit noch zu viele Energien in Anspruch nimmt.


Phasen des Trauerprozesses

Elisabeth Kübler-Ross beschrieb 1969 fünf Phasen des Sterbens. Da es sich beim Sterben um einen Trauerprozess handelt, wurde ihr Phasenmodell auch in der Trauerbegleitung verwendet. 1970 legten dann John Bowlby und Collin Murray Parkes ein vierphasiges Modell vor, das 1982 von Verena Kast mit dem Modell von Kübler-Ross verschmolzen und – unter Einbezug von Elementen der analytischen Psychologie – zu einem ebenfalls vierphasigen Modell verarbeitet wurde. 1972 hatte Yorick Spiegel bereits eine psychoanalytisch orientiertes Modell der Trauerphasen vorgelegt. J. William Worden legte 1982 ein Modell vor, das aus vier Aufgaben der Trauerarbeit bestand und nicht als Phasenmodell zu verstehen ist. Dieses Modell entwickelte er 1991 und 1996 weiter und ergänzte es um eine fünfte Aufgabe.

Trauerprozess in 4 Phasen (nach Verena Kast, basierend auf John Bowlby und Collin Murray Parkes)
Eine der bekanntesten Theorien rund um den Trauerprozess stammt von Verena Kast. Sie lehnt sich stark an das Modell der Sterbephasen von Kübler-Ross an und unterscheidet vier Phasen, die meist sukzessive – natürlich nicht streng voneinander getrennt ablaufen:

Erste Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen

Der Verlust wird verleugnet, der oder die Trauernde fühlt sich zumeist empfindungslos und ist oft starr vor Entsetzen: „Es darf nicht wahr sein, ich werde erwachen, das ist nur ein böser Traum!“ Die erste Phase ist meist kurz, sie dauert ein paar Tage bis wenige Wochen.

Zweite Phase: Aufbrechende Emotionen

In der zweiten Phase werden durcheinander Trauer, Wut, Freude, Zorn, Angstgefühle und Ruhelosigkeit erlebt, die oft auch mit Schlafstörungen verbunden sind. Eventuell setzt die Suche nach einem oder mehreren „Schuldigen“ ein (Ärzte, Pflegepersonal …). Der konkrete Verlauf der Phase hängt stark davon ab, wie die Beziehung zwischen den Hinterbliebenen und dem Verlorenen war, ob zum Beispiel Probleme noch besprochen werden konnten oder ob viel offengeblieben ist. Starke Schuldgefühle im Zusammenhang mit den Beziehungserfahrungen können bewirken, dass man auf dieser Stufe stehenbleibt. Das Erleben und Zulassen aggressiver Gefühle hilft dem Trauernden dabei, nicht in Depressionen zu versinken. Weil in unserer Gesellschaft Selbstbeherrschung ein hoher Wert ist und abhängig von familiären und gesellschaftlichen Prägungen sogar die Tendenz bestehen kann, Trauer ganz zu verdrängen, bestehen oft große Schwierigkeiten, diese Phase zu bewältigen. Aber nur indem die adäquaten Emotionen auch tatsächlich erlebt und zugelassen werden, kann die nächste Trauerphase erreicht werden.

Dritte Phase: Suchen, finden, sich trennen

In der dritten Trauerphase wird der Verlorene unbewusst oder bewusst „gesucht“, meistens dort, wo er im gemeinsamen Leben anzutreffen war (in Zimmern, Landschaften, auf Fotos, auch in Träumen oder Phantasien …). Die Konfrontation mit der Realität bewirkt, dass der oder die Trauernde immer wieder lernen muss, dass sich die Verbindung drastisch verändert hat.

Der Verlorene wird bestenfalls zu einem „inneren Begleiter“, mit dem man durch inneren Dialog eine Beziehung entwickeln kann. Im schlechteren Fall lebt der Trauernde eine Art Pseudoleben mit dem Verlorenen, nichts darf sich ändern, der Trauernde entfremdet sich dem Leben und den Lebenden. Wenn der Verlorene aber zu einer inneren Person wird, die sich weiterentwickeln und verändern kann, wird die nächste Phase der Trauerarbeit erreicht. Besonders hilfreich erweist sich, wenn in dieser Phase des Suchens, des Findens und des Sich-Trennens auch noch ungelöste Probleme mit der verlorenen Person aufgearbeitet werden können. Bisweilen kommt es in der dritten Phase auch zu Wutausbrüchen.

Vierte Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug

In der vierten Phase ist der Verlust soweit akzeptiert, dass der verlorene Mensch zu einer inneren Figur geworden ist. Lebensmöglichkeiten, die durch die Beziehung erreicht wurden und die zuvor nur innerhalb der Beziehung möglich gewesen sind, können nun zum Teil zu eigenen Möglichkeiten werden. Neue Beziehungen, neue Rollen, neue Verhaltensmöglichkeiten, neue Lebensstile können möglich werden. Dass jede Beziehung vergänglich ist, dass alles Einlassen auf das Leben an den Tod grenzt, wird als Erfahrung integrierbar. Idealerweise kann man sich dann trotz dieses Wissens auf neue Bindungen einlassen, weil man weiß, dass Verluste zu ertragen zwar schwer, aber möglich ist und auch neues Leben in sich birgt.

Trauerprozess in 4 Phasen (nach Yorick Spiegel)

Der systematische Theologe Yorick Spiegel beschrieb bereits in seiner Habilitationsschrift von 1972 ebenfalls vier Trauerphasen, die sich jedoch von den Phasen, wie sie Kast beschreibt, unterscheiden.

Schockphase

Erster Schock nach der Todesnachricht. Diese erste Phase ist recht kurz, sie hat eine Dauer von einigen Stunden bis zu wenigen Tagen. Die Stärke des Schocks richtet sich vielfach danach, ob die Angehörigen die Todesnachricht unerwartet (z. B. bei Unfällen) trifft oder ob sie z. B. durch eine längere Krankheit auf diesen Tod vorbereitet waren. Doch trotz der Unterscheidungen lassen sich keine generellen Aussagen über die zu erwartende Heftigkeit des Schocks machen. Die Betroffenen nehmen in der Zeit nur relativ wenig von ihrer Umwelt wahr, ihr Verhalten nach der Todesnachricht ist höchst unterschiedlich. Sie sind oft nur schwer ansprechbar; je nach Schwere des Schocks zeigen sich Ansätze des Zusammenbruchs ihrer persönlichen Welt, doch wird das meist durch die Angehörigen unter Kontrolle gehalten. Durch die Unterstützung von anderen Angehörigen hat der Hauptbetroffene die Möglichkeit, seine eigenen Gefühle zu kontrollieren: Dadurch ist bereits die nächste Phase bezeichnet. Für das Auslösen des Trauerprozesses und die Aufnahme des Trauerprozesses ist die Phase des Schocks sehr wichtig.

Kontrollierte Phase

Kontrolle der eigenen Emotionen durch verschiedenen Aktivitäten (eigene und fremde); während dieser Phase wird eine zweifache Form der Kontrolle ausgeübt: Zum einen versucht der Trauernde seine Gefühle und Affekte zu beherrschen, zum anderen verstärken die Familienangehörigen und Freunde das Bemühen, damit ein möglicher Zusammenbruch verhindert wird und die nun notwendigen Schritte ohne größere Komplikationen vorgenommen werden können, wie z. B. die Organisation und Durchführung der Beerdigung. Die und andere Leistungen gesellschaftlicher Art sollen den Trauernden soviel wie möglich entlasten, damit ihm die Selbstkontrolle erleichtert wird. Trotzdem erfährt sich der Trauernde in dieser Phase in starkem Maße als passiv und ist kaum in der Lage, eigene Entscheidungen durchzusetzen. Durch die starke Selbstkontrolle entsteht ein innerer Abstand zur Realität und unmittelbaren Umgebung des Trauernden, und gerade die Geschäftigkeit seiner Umgebung lässt ihn (den Trauernden) spüren, wie groß die Distanz zwischen ihr und ihm selbst geworden ist. Zudem breitet sich hinter der kontrollierten Fassade des Trauernden ein Gefühl der Leere aus, das die Welt zwar intellektuell und praktisch anerkennt, jedoch emotional gewissermaßen leugnet. – Diese Leugnung oder Verdrängung der Situation ist ein Abwehrmechanismus, der in vielen Fällen die Selbstkontrolle aufrechterhält. Ein welch hohes Maß an Energie für diese Selbstkontrolle vonnöten ist, wird z.b. dadurch deutlich, dass die starke Konzentration der Kräfte allein auf den Punkt vielfach zu Kommunikationsstörungen führt. Der Trauernde spricht oft nur das Nötigste mit den ihn umgebenden Menschen; er erlebt diese (kontrollierte) Phase trotz aller Bemühungen und Rücksichtnahme auf ihn in einer unwirklichen Distanz zu seiner Umwelt und zu sich selbst. Das Ende der kontrollierten Phase ist angezeigt durch die Abreise der Verwandten bzw. Freunde nach der Beerdigung.

Phase der Regression

Weitgehender Rückzug vom „normalen Leben“, Auseinandersetzung mit der Trauer

In dieser Phase ist der Trauernde ganz auf sich zurückgeworfen. Die hilfreichen Aktivitäten der Umwelt haben aufgehört, und im schrittweisen Begreifen seiner Situation wird er mit dem völligen Zusammenbruch der gemeinsamen Daseinswelt mit dem Verstorbenen konfrontiert. Er reagiert darauf zum einen mit stark erhöhter Emotionalität und auch mit Aggressivität. Zum anderen zieht er sich sehr zurück und überlässt sich nach Aufgabe eines Teils der zuvor mühsam aufrecht erhaltenen Selbstkontrolle mehr oder weniger der Hilflosigkeit. Dem Entgegenkommen oder der Hilfe von Freunden oder Verwandten gegenüber verhält er sich oft abweisend, obschon er sich gleichzeitig ihre Hilfe wünscht. – Zu den äußerlich beobachtbaren Symptomen zählen in dieser Phase Appetitlosigkeit (damit verbunden auch Anorexie, Gewichtsverlust, Verdauungsschwierigkeiten), Schlaflosigkeit, permanente Müdigkeit, vermehrtes Zurückgreifen auf Betäubungsmittel wie Alkohol, Nikotin und Medikamente. Um mit der aktuellen Krise fertig zu werden, versucht der Trauernde auf früher bewältigte Krisen zurückzugreifen, doch erweisen sich deren Bewältigungs- und Abwehrmechanismen zumeist als unzureichend. Demzufolge überlässt er sich der Hilflosigkeit und zieht sich ganz auf frühere Entwicklungsstufen zurück. Der Trauernde befindet sich in der Phase der Regression in einer Art „Zwischenzustand“, d. h. durch die noch nicht vollzogene Lösung vom Verstorbenen und die Zurückgezogenheit von den Lebenden ist es nicht zu entscheiden, welchem der Bereiche er mehr angehört. Die Ambivalenz dieser Situation verleiht dem Erleben und Empfinden des Trauernden eine große Unwirklichkeit.

In der Auseinandersetzung mit solcher Ambivalenz versucht der Trauernde mehr und mehr mit der Situation zu leben und sich auf die daraus ergebenden Konsequenzen einzustellen, womit schließlich die adaptive Phase eingeleitet wird.

Phase der Anpassung

Langsame Rückkehr ins Leben und neue Beziehungsfähigkeit. Der Trauernde versucht, langsam wieder in sein altes Leben zurückzukommen, aber der Verlust wird immer im Herzen bleiben. Doch der Trauernde kann sich nicht ewig zurückziehen. – Die Trauerbewältigung läuft in dieser Phase keineswegs kontinuierlich ab: Kurzzeitige Rückschritte in vorherige Stadien des Trauerprozesses sind möglich. Dabei kann die ganze Schwere der Trauer wieder da sein, doch klingen die Abschnitte meist schneller ab, als in der regressiven Phase.

Die Zusammenfassung wurde aus verschiedenen Wikipedia-Artikeln erstellt.